Der Paukboden (ca. 1840): Ein bisher unbekanntes Ölgemälde von Carl Wilhelm Hübner

Baltimore, MD—Ein bisher unbekanntes Gemälde aus dem Frühwerk des deutschen Malers Carl Wilhelm Hübner wurde kürzlich in der Sammlung eines amerikanischen Fechtarchivs entdeckt und identifiziert. Hübner (* 17. Juni 1814 in Königsberg; † 5. Dezember 1879 in Düsseldorf) war ein deutscher Genre- und Landschaftsmaler der Romantik.Das Ölgemälde mißt 46,5 cm x 60,5 cm und stellt ein Fechterpaar in der Tracht des frühen 19. Jahrhunderts dar.

Hübner erhielt seinen ersten Kunstunterricht bei Professor Johann Eduard Wolff in seiner Heimatstadt Königsberg. Dieser vermittelte Hübner im Jahre 1837 an die Düsseldorfer Kunstakademie, wo er bis 1841 unter Wilhelm von Schadow und Carl Ferdinand Sohn studierte.

Hübner gilt als prominentester Vertreter der sognannten Düsseldorfer Malerschule.

Carl Wilhelm Hübner Die Schlesischen Weber

Hübners "Schlesische Weber"

Seine Hauptwerke sind Ölgemälde mit Szenen menschlicher und sozialer Konflikte, wie zum Beispiel dem Leben von Dieben, Schmugglern oder Wilderern. Sein bekanntestes Werk ist das Gemälde “Die schlesischen Weber”, in welchem die großen sozialen und politischen Konflikte des 19. Jahrhunderts Ausdruck finden. Das Bild wurde 1844 unter großem Publikumsandrang in Köln, Berlin, Halberstadt und anderen deutschen Städten ausgestellt.

Hübner-Spezialistin Dr. Lilian Landes von der Bayerischen Staatsbibliothek nennt Hübner den einzigen deutschen Genremaler seiner Zeit, “der die das Bürgertum bestimmende mächtige soziale Bewegung visuell nach außen trug. Zum ersten Mal ließ die durchschlagende Präsenz seiner Kompositionen im Bewußtsein der breiten Bevölkerung die neue Macht des Mediums Malerie erahnen.” (1)

Frühwerk

Dr. Landes urteilt, daß es sich bei der vorliegenden Neuentdeckung “um eine sehr frühe Studienarbeit” handeln muß:

“Das Thema spricht dafür (typisches historisierendes Thema der Düsseldorfer Schule, welches er nach 1843 m.E. nicht mehr gemalt hätte), außerdem auch die Ausführung, die eindeutig (sehr unsicher) mit Perspektive und Körperhaltungen experimentiert und dabei noch einigen Spielraum nach oben läßt. Der Datierung zwischen 1839 und 1843 würde ich unbedingt zustimmen (mit einer Tendenz zu 1841/42).” (2)

Das Motiv, ein allem Anschein nach studentischer Paukboden, hat keine Parallelen in der ernsthaften bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

Das dargestellte Fechterpaar ist mit Hiebwaffen ausgerüstet, sogenannten “Glockenschlägern”. Diese Art Waffe wurde bis auf wenige Ausnahmen in verbindungsstudentischen Kreisen an Universitäten östlich der Elbe verwendet.

Studentisches Sujet

Die vorliegende Szene stellt allerdings keine studentische Mensur dar, sondern vermutlich einen “Pauk-” oder Fechtboden, auf dem sowohl für ernste Duelle als auch für die studentische Mensur geübt wurde.

Auch die Abwesenheit von Masken oder sogenannten Paukhelmen ist kein Indiz für eine Mensur oder ein Duell. (Paukhelme wären um 1840 vermutlich bereits benutzt worden.)

Diese Annahme wird untermauert durch die Abwesenheit von Sekundanten und Unparteiischen, als auch durch die auffallende Ruhe und Passivität der Zuschauer, ebenso wie das Fehlen von farbigen Mützen und Bändern, anhand welcher sich studentische Verbindungen identifizieren.

Bei der Lokalität handelt es sich ganz offensichtlich um einen spezifisch zum Fechten abgestellten Raum. Dieser Fechtboden ist ohne künstliche Beleuchtung und wird nur durch die durch ein großes Fenster einfallende Nachmittagssonne erhellt. Bröckelnder Putz an den Wänden, grober Plankenboden und mangelndes Mobiliar deuten auf einen Raum von reiner Utilität hin.

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Fechtsäbel und Fechthandschuh

Rechts und links von der doppelflügligen Tür ist eine hölzerne Haltevorrichtung von Fechtwaffen—Floretten, Schlägern und Säbeln—permanent an der Wand installiert. Diese Sammlung von rein utilitären Blankwaffen weist auf hochspezifische Übungszwecke hin, die zu dieser Zeit fast ausschließlich von universitätsbestallten Fechtmeistern vermittelt wurden. Die Anzahl der Waffen deutet auf Gruppenlektionen hin.

Daß auch die Umstehenden in Fechtübungen verwickelt waren, geht aus dem Inventar hervor: Rechts unten, zu Füßen des sitzenden Mannes, ist auf dem Boden ein krummer Fechtsäbel mit spezialisiertem, gepolstertem Hiebfechthandschuh zu sehen. Natürlich läßt sich nicht feststellen, ob es sich bei der dargestellten Waffe um eine scharfe Klinge oder ein stumpfes Paukgerät handelt.

Angesichts von Hübners persönlichem Hintergrund käme hier wohl als plausibles Lokal lediglich Königsberg und Breslau in Frage. Düsseldorf hatte zum Zeitpunkt der Erschaffung noch keine Universität, und man hätte dort auf Korbschläger gefochten.

Vergleiche mit kontemporären studentischen Moden untermauern die These einer historisierende Darstellung. Gerade die langen Haare und Bärte, sowie die Mäntel der Zuschauer erinnerten an die Trachten, die kurz nach den Freiheitskriegen gängig waren.

Die Kleidung der Fechter könnte jedoch an Illustrationen aus W. Roux’ Anweisung zum Hiebfechten mit graden und krummen Klingen (1840) anlehnen—bis auf den Mangel einer Leibbinde/Kummerbunds.

Reale Vorlagen?

Handelt es sich bei den dargestellten Personen um reale Persönlichkeiten?

Die in der Hübner-Biographie genannten Namen Hackenberg und von der Heydt sind in den Kösener Corpslisten auffindbar, allerdings erst in späteren Jahrgängen. (Ein Friedrich Julius Hackenberg (+ 1879 in Düsseldorf) war aktiv an der Universität Heidelberg in 1848, ein Franz von der Heydt 1906 in Straßburg). Die bei Dr. Landes zitierten Korrespondenz benutzte Wortwendung von “zu philisterhaft” weist jedoch auf studentischen Jargon hin.

Dr. Landes vermutet: “Zweifellos handelt es sich um eine Studienarbeit, deren Zweck das Üben von Perspektive und Körperproportionen war. Das schließt nicht aus, dass Hübner das Bild anschließend verkaufte und evtl. sogar mit Porträts realer Personen versah (der rechte Fechter etwa und die beiden Zuschauer rechts auf und hinter dem Stuhl tragen porträthafte Züge, was aber nichts zwangsläufig etwas heißen muss, da es sich um ‘Versatzstücke’ früherer Skizzen handeln kann, die Hübner den Figuren ‘aufgesetzt’ hat—das entspricht der gängigen Arbeitsweise an der Akademie in Düsseldorf zu jener Zeit). Natürlich kann Hübner Skizzen solcher Interieurs und Vorgänge aus Königsberg mitgebracht haben; alles kann aber auch viel banaler sein, dass z.B. das Ganze eine Themenvorgabe in seiner Malklasse war, zu welcher bestehende Interieurs-Gemälde und evtl. reale Waffen in der Akademie Düsseldorf existierten (sein Lehrer Carl F.[erdinand]. Sohn kam aus Berlin).” (3)

“Der Paukboden,” (The Fencing Loft), Öl auf Leinwand, 60.5 x 46.5 cm, signiert unten rechts: Hübner. Um 1840. Sammlung Amberger, Baltimore (USA)

Fußnoten:

(1)  Landes, Lilian Carl Wilhelm Hübner (1814-1879),Genre and Zeitgeschichte im deutschen Vormärz, München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2008; S. 442;

(2) E-Mail Kommunikation, 19. 2. 2010

(3) E-mail Kommunikation, 21. 2. 2010

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